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Bücher, Bücher, Bücher - Empfehlungen (nicht nur) für die Urlaubszeit

Um der Leserschaft den Überblick zu ereinfachen, haben wir die Buchrezensionen in drei Bereiche unterteilt. 

Diese werden inhaltlich und farblich unterschiedlich dargestellt.

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Ukrike Dotzer:   Goldener Boden

Ulrike Drotzer - Goldener Boden © Europa Verlag

Ulrike Dotzer schlägt einen weiten geschichtlichen Bogen einer Familie über drei Generationen, die das Ausüben desselben Handwerks eint.

So unterschiedlich die konkreten Erlebnisse, Erfahrungen und der Umgang mit ihnen, so gleich sind ihre Lebensthemen – Flucht und Vertreibung aus der Heimat, Schmerz über das Zurückgelassene sowie Hoffnung, Kraft und der enorme Mut für entschlossene Neuanfänge und ihr gemeinsames Handwerk, das Menschen schöner macht und auf goldenem Boden steht.

In Gustav, einem der Protagonisten des Romans wächst eine tiefe Religiosität, die ihn am Anfang seiner Mannesjahre handlungsfähig, in reiferen Jahren beobachtend und duldsam und zum Ende seines ereignisreichen Lebens friedvoll leben lässt.

Clara, die andere Protagonistin und Tochter Gustav`s erfüllt fleissig, zukunfsorientiert und umsichtig ihre selbstentworfenen Visionen und Pflichten. Ruhe ist für sie Müßiggang und Stillstand, den sie sich verbietet. „Machen, machen, machen“ ist ihr Credo.

Und die Töchter „machen“ gleichfalls, sehen sich jedoch bereits mehr als „Macherinnen“ für individuelle eigene Ziele, wenn auch in einem begrenzten Rahmen.

Eines eint sie generationsübergreifend, sie sprechen wenig oder gar nicht über sich. Und schon überhaupt nicht tauschen sie sich über Erlebtes aus. „Nicht dran Rühren, alles auf dem Gleis lassen“ meint Clara.

Ulrike Dotzer zeichnet ein historisch exzellent recherchiertes Bild des deutschen Kaiserreiches, des Naziregimes, der Zerstörung dessen und den Aufbau der deutschen Wohlstandsgesellschaft. Gleichfalls gestaltet sie psychologisch kenntnisreich Denkschemata, Glaubenssätze und Handlungsorientierungen der jeweiligen Zeitepoche.

 

Diese Buch empfehle ich, weil……

- es aktuell, facettenreich differenziert und sprachlich elegant und mitunter witzig ist

- es die beeindruckende geballte Kraft einer Familie zeigt

- es das Thema des nicht ins Gespräch kommen der Generationen der Kriegseltern, -kinder und -enkel so anschaulich und existentiell nachvollziehbar darstellt.

Und dennoch alles danach schreit, sich miteinander auszutauschen, um den Schmerz, die Einsamkeit und Krankheit zu mindern, ganz im Sinne von Sabine Bode „Die vergessene Generation“ und weiterer Veröffentlichungen von ihr.

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     Anne-Kathrin Heinze      Leseprobe

     Europa Verlag                  ISBN 978-3-95890-512-2           Hardcover  608 Seiten   

Dörte Hansen:   Zur See

Dörte Hansen - Zur See

Zu Beginn fühlt sich der Roman langatmig, spannungslos an. Wiederkehrende Situationsbeschreibungen. Langsam kommt die Bewegung norddeutsch und präzise auf die Seiten. Nach und nach entblößt Dörte Hansen die alte Kapitänsfamilie Sander. Zeigt deren Lebensgeschichte auf. In einer besonderen Satzmelodie bringt sie die Lesenden um ihre Ruhe, lässt die hautnah an dem täglichen Geschehen der Familie Sander teilhaben.

   Das Leben auf einer Nordseeinsel, irgendwo in Jütland, Friesland oder Zeeland, schreibt sie und zeigt ganz nebenbei die Entwicklung des Tourismus der besagten Insel auf. Dörte Hansen klagt nicht an, sondern erinnert uns nur an die touristisch geprägte und beeinflusste Lebensweise auf irgendeiner Nordseeinsel - einem stark frequentierten Urlaubsort.

   Diese Insel kann überall sein. In der Nordsee, der Ostsee – auch wenn die Tiden fehlen – und irgendwo sonst in diesem Land als touristisches Eiland. Das Zusammenspiel der Einwohner, die dort leben und der Gäste, die temporär an dem Leben teilhaben, kann mit all seinen Entwicklungen treffender nicht vor Augen geführt werden. Als wäre Dörte Hansen auf dieser Insel geboren und hätte Tag für Tag den Menschen an der Fersen gehangen.

   Ein wunderbarer Roman, der präzise das Nebeneinander von Insulanern und Gästen schildert, von der Schnelligkeit des Konsums erlebten Wohlbefindens in einer scheinbar heilen Welt. Meine eigenen touristischen Erfahrungen finden sich in vielen Teilen wieder.

Danke für dieses Buch, Dörte Hansen.


     Burckhard Specht     Leseprobe
     Penguin Verlag            ISBN 978-3-328-60311-5           Hardcover 256 Seiten / Taschenbuich / eBook /  Hörbuch

Dörte Hansen:   Altes Land

Dörte Hansen - Altes Land

Der Debütroman von Dörte Hansen, die mit den drei bisher erschienenen Büchern eine Auflage von über zwei Millionen erreicht hat. Herkunftsromane, so betitelt die Autorin das Genre ihrer Bücher, keine schlichten Heimatromane.
Mit „Altes Land“ beschreibt sie die vermeintliche Idylle des Landlebens, welches auch die Schickimicki Szene aus Hamburg anzieht, ohne dabei zu urteilen oder zu verurteilen. Das Leben in der Apfelkammer Norddeutschlands sieht für die Zugereisten eher nach Bullerbü als nach Leben mit Arbeit aus. Es zeigt die unterschiedlichen Charaktere auf, von den verwurzelten Altländern bis zu den Kriegsflüchtlingen, gefolgt von Fliehenden der Gegenwart.
  Alles in einer fließenden Sprache, die beim Lesen in einen unaufhaltsamen Strom mündet, der es schwer macht, eine Pause zu finden. Die Spannung wird durch die unterschiedlichen Charaktere und die häufigen Wechsel aufgebaut.
   Ein absolut lesenswertes Buch, welches wir sehr gern empfehlen.

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     Burckhard Specht         Leseprobe
     Penguin Verlag              ISBN 978-3-328-10012-6             Hardcover 288 Seiten/ Taschenbuch / eBook / Hörbuch

Dörte Hansen:   Mittagsstunde

Dörte Hansen - Mittagsstunde

Die Einstimmung auf „Mittagsstunde“ gelingt vermutlich noch besser mit einem Tee vor dem kuscheligen Ofen, wenn der Wind die Regentropfen an die Scheiben drückt.
Brinkebüll in Schleswig Holstein, eine gute Fahrstunde von Kiel, kurz über die Autobahn und nicht zu weit entfernt von der Nordsee. Weder Google noch der alte Shellatlas können zeigen wo dieses Dorf liegt. Und dennoch ist es ganz in unserer Nähe.
    Dörte Hansen nimmt uns in ihrem zweiten Roman auf eine Reise in ein Dorf mit, wo die Welt nicht nur morgens um sieben in Ordnung zu sein scheint. Hier wird die soziale Gemeinschaft hochgehalten, werden Feste gefeiert und wird feste gefeiert, der Dorfkrug als Mittelpunkt. Nachrichtenzentrale und Seismograph für das Leben in Brinkebüll.
    Dörte Hansen kennt die Gesetze eines Dorfes und wirkt wie eine stille Beobachterin, zeigt die Schrammen auf, lüftet vorsichtig das eine oder andere Geheimnis und stellt es unerwartet in den Raum. Sie setzt das Leben in Szene, mit wunderbaren, einfühlsamen Metaphern und lässt Dialoge in den Hintergrund treten, wodurch die Charaktere stärker ausgeprägt werden. Sie scheint jeden Tag von ihrer Küche aus auf den Gasthof der Feddersens zu schauen und ist mitten drin im Leben in Brinkebüll.
    Kaum vorstellbar, dass jemand anderes als Dorfchronist die Veränderung eines Ortes so emotional beschreiben kann. Durch die kurzen plattdeutschen Einschübe gewinnt der Roman noch mehr an Authentizität. Wer diesen Roman in den Händen hält, der wird es ergehen wie der Brinkebüller Gönke Boysen.

 

     Burckhard Specht             Leseprobe       
     Penguin Verlag                  ISBN 978-3-328-60003-9            Hardcover 320 Seiten / Taschenbuch  / eBook / Hörbuch

Volker Jarck   Sieben Richtige

Cover Sieben Richtige

Der Einstieg lässt keine Zusammenhänge erkennen. Das radelnde Mädchen, die mordende Wespe, der ausbleibende Umzugswagen, der Baseballchampion aus Boston und die Schwangere aus Bochum, der schüchterne Germanistikstudent und die Autorin, die ein neues Leben beginnen wird. 
  Wie passt das zusammen?
  Die Schicksale der Protagonisten werden jedes für sich von der ersten Seite klar abgrenzend und sehr emotional beschrieben. Rückblicke, die Erklärungen geben, lassen die Leser noch tiefer eintauchen, teilhaben an den Personen und gelegentlich Partei ergreifen.  Das eine oder andere kommt einem bekannt vor, weil es im eigenen Umfeld ähnlich gelagert ist.
  Durch die Rückblicke in die Vergangenheit der einzelnen Protagonisten werden die Zusammenhänge vorsichtig zu einem Netz geworben und die einzelnen Puzzles, die sechs Beteiligten, wie zufällig zusammengefügt.  
  Durch die parallel aufgezeigten Erlebnisse der einzelnen Protagonisten wird sanft ein Spannungsbogen aufgebaut, aus dem es kein Entrinnen gibt. Immer wieder werden Satzgebilde mäanderartig geformt, auch wieder abrupt gestoppt, um den Lesenden die Weiterführung der Handlung mit eigenen Gedanken zu ermöglichen. Der Autor lässt sie im Ungewissen stehen, zumindest in diesem Moment.
Volker Jarck versteht es auf beeindruckende Weise mit 26 Buchstaben und ein paar Sonderzeichen einen Roman zu schreiben, der berührt, der mitfühlen lässt und auch auf humorvolle Abstecher nicht verzichtet. Er hält die Spannung bis zu den letzten Seiten hoch und entlockt den Lesern immer wieder ein neues „Ach so“ und „Hmm“.
  Wer das Spiel mit der Sprache liebt, der muss diesen Roman, der auch die Geschichte von Charly ist, einfach lesen.  
  Im Hörbuch werden die einzelnen Geschehnisse hervorragend von Christoph Maria Herbst vorgestellt.

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     Burckhard Specht           Leseprobe

     S. Fischer Verlage           ISBN: 978-3-596-00158-3             Taschenbuch  320 Seiten / eBook / Hörbuch

Haruki Murakami:   Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki 

Haruki Murakami - Die Pilgerjahre des Herrn Tazaki

Ein älterer Roman des populärsten japanischen Autors seiner Generation, der 2014 in der Spiegel-Bestsellerliste aufgenommen wurde. Er erreichte in kürzester Zeit eine Auflage von 1 Million Bücher.
  Haruki Murakami erzählt die Geschichte von fünf unzertrennlichen Freunden, die eines Tages die Beziehung zu Tsukuru Tazaki kommentarlos abbrechen. Dieses belastet den Protagonisten schwer und seine Gefühle so sehr, dass er nur schwer davon loskommt. Es geht ihm stark zu Herzen, sodass er sich monatelang mit dem Wunsch zu sterben beschäftigt, mit der Folge, dass sich seine Persönlichkeit auch ändert.
  Während seines Studiums in Tokio trifft er einen Gleichaltrigen, mit dem er sich anfreundet und die vieles gemeinsam unternehmen. Erlebtes und Unbewusstes liegen wie ein zarter Nebel über dieser Freundschaft.
  Dann kommt es zu einer distanzierten Beziehung zu einer unwesentlich älteren Frau, mit der er sich sehr vertrauensvoll austauscht. Diese Frau ermutigt ihn letztlich auch dazu, die Sache mit der abrupten Beendigung der Freundschaft, die mittlerweile sechzehn Jahre zurückliegt, aufzuklären. Schritt für Schritt tastet er sich vor, Licht ins Dunkel zu bekommen.
  Haruki Murakami erzählt die Geschichte des farblosen Herrn Tazaki, auch im Zusammenhang mit seinem Intimleben, mit einer sehr tiefen Feinfühligkeit, dass man Sorge haben muss, beim Umblättern die Seiten zu beschädigen.
  Stellenweise lässt er den Protagonisten unsicher erscheinen, schafft es dennoch, ihn auf die Leser sympathisch wirken zu lassen.
Ein Buch, welches flüssig zu lesen und wunderbar geschrieben ist.

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     Burckhard Specht      Leseprobe

     Dumont Buchverlag    ISBN 978-3-8321-9748-3        Hardcover 320 Seiten  / eBook

Haruki Murakami:   Die Stadt und ihre ungewisse Mauer

Die Stadt und ihre ungewisse Mauer

Dieser Roman hat lange gebraucht, bis er in der jetzigen Form von Haruki Murakami vorliegt. Bereits 1980 wurde er in einer wesentlich kürzeren Version, gerade einmal 100 Seiten, in einer japanischen Literaturzeitschrift veröffentlicht. Sehr oft hat Murakami daran gearbeitet, das unvollendete Werk zur Seite gelegt und wieder neu aktiviert, um es 2023 herauszubringen.

Er hat eine weitere Erzählung mit eingebunden und dann in kunstvoller Weise miteinander verwoben. Das Lesen erfordert eine besondere Aufmerksamkeit, da er zwischen Gegenwart und Vergangenheit oder von Gegenwart in Zukunft wechselt und auch plötzlich wieder eine andere Location vor sich hat.

Die Sprache ist klar, sehr leicht verständlich, jedoch die Handlung erfordert konzentriertes Lesen und die Akzeptanz des Abstrakten.

Der Protagonist lernt als Jugendlicher ein gleichaltriges Mädchen kennen, in welches er sich verliebt. Sie haben keine enge Beziehung, schreiben sich sehr häufig und tauschen sich mit vielen Gesprächen aus, wenn sie sich treffen. Eines Tages erzählt ihm das Mädchen von einer Stadt, die von einer großen Mauer umgeben ist und dass er diese Stadt besuchen sollte. Sie sagt ihm aber auch, dass sie sich dort treffen würden, jedoch wird sie ihn nicht erkennen können.

Er macht sich auf dem Weg zu dieser Stadt, ist fasziniert von der eigenartigen Bauweise der Mauer und wird in hineingelassen. Zuvor muss er seinen Schatten abgeben und erfährt, dass er aus dieser Ummauerung nicht wieder herauskommen wird.

Es ist die Beschreibung einer jungen Liebe, in der sich beide vorsichtig antasten und die sexuelle Unerfahrenheit, das Verlangen und die Zurückhaltung zu verarbeiten lernen. In der ummauerten Stadt trifft der Protagonist das junge Mädchen wieder, kommt ihr näher und befindet sich kurz darauf an einem anderen Ort. In der Bergwelt treten vier Personen in sein Leben, die unterschiedlicher nicht sein können.

Der jetzige Erzählstrang verbindet eine Mischung aus Realität und Fantasie, lässt die Spannung bestehen.

Murakami scheint eine Vorliebe für erotische Einschübe zu haben, was sich auch jetzt wieder in unaufdringlicher Weise darstellt.

Der Schluss ist unerwartet, aber nachvollziehbar. Lesenswerte 630 Seiten.

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     Burckhard Specht     

     Dumont Buchverlag    ISBN 978-3-8321-6839-1        Hardcover 640 Seiten  / eBook / Hörbuch

Adèle Rosenfeld:   Quallen haben keine Ohren

Cover für  Quallen haben keine Ohren

Die Protagonistin Louise, Mitte zwanzig, hat seit ihrer Kindheit eine Hörbeeinträchtigung: absolute Stille auf dem linken Ohr und ein sehr vermindertes Hörvermögen rechts. Sie lebt seitdem zwischen den Welten der Hörenden und Gehörlosen. Kann sich mit dem früh erlernten Lippenlesen zwar beruflich einbringen, sieht aber auch hier ihre Grenzen, denn Lippenlesen erfordert Helligkeit, zugewandte Gesprächspartner und eine gute Artikulation.
  Louises Gehör verschwindet nach und nach und die noch verbleibende Zeit, ihr natürliches Gehör durch ein Cochlea-Implantat zu ersetzen, verringert sich mit jedem Tag. Die zu treffende Entscheidung, das Implantat einsetzen zu lassen, zieht sich als roter Faden durch den Roman, denn damit einhergeht das Resultat, dass diese Operation nicht rückgängig gemacht werden kann.
  Louise beschäftigt sich damit, die Gebärdensprache zu erlernen. Ihr Lehrer macht ihr klar, dass sie nicht gehörlos, sondern hochgradig schwerhörig ist. Die Kreativität der Gebärdensprache unterscheidet sich von der Lautsprache, die Louise auf den Schulen für Hörende gelernt hat und mit der sie den Weg ihres Lebens beschreitet.
  Sie ist den großen Veränderungen des Lebens zeitweise hilflos ausgesetzt, sei es im Beruf, mit der einfühlsamen, beginnenden Beziehung zu einem Mann und der bröckelnden Freundschaft zu einer Frau.

  Ihre Hörlücken werden nach und nach mit drei Figuren aus einer Fantasiewelt gefüllt, die auf mich teilweise störend wirken. Nicht immer gelingt es, das Lippenlesen genau zu beschreiben, weil das französische Wort die Basis bildet.  

  Kein Roman, den man einfach „wegliest“, eher einer mit Tiefgang, stark berührend und einfühlsam.
  Hörenden werden die Feinheiten von Hörbeeinträchtigung bis hin zur Gehörlosigkeit nähergebracht, was letztlich einen anderen Blick auf die Welt der Hörgeschädigten mit sich bringt. Durch die Schwerhörigkeit der Autorin, Adéle Rosenfeld, bekommt der Roman eine besondere Glaubwürdigkeit, da er teilweise autobiografische Züge hat und der Leserschaft ein hohes Maß an Informationen bietet.  
  Nicht nur empfehlenswert für Personen, die mit Hörgeschädigten Kontakt haben.

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     Burckhard Specht      Leseprobe
     Suhrkamp Verlag         ISBN 978-3-518-43135-1           Hardcover  221 Seiten / eBook

Jan-Philipp Sandker  Das Herzenhören

Jan-Philipp Sendker - Das Herzenhören

Burma ist kein touristischer Hotspot für Europäer, umso mehr ist die bildliche Beschreibung des Dorfes Kalaw - das Leben im Kloster und der Alltag der Bevölkerung - dem Autor auf eine sehr verständliche, nachvollziehbare Weise gelungen.

  In diesem Dorf trifft die Amerikanerin bei der Suche nach ihrem Vater, der vier Jahre zuvor seine Familie verlassen hat, auf einen älteren Mann, U Ba, der die ersten zwanzig Lebensjahres ihres Vaters  sehr einfühlend beschreibt. Zwanzig Jahre, von denen sie, ihr Bruder und ihre Mutter keine Kenntnis hatten. Die im Raum stehende Frage, woher U Ba so viele Details aus dem Leben ihres Vaters kennt, wird irgendwann auch beantwortet.

  Die Leser werden Schritt für Schritt auf eine Reise in die Berge Burmas mitgenommen, wo sie das Leben eines heranwachsenden Jungen, der in frühen Jahren erblindete, kennenlernen.
  In diesem Land hat die Astrologie einen starken Einfluss auf die Menschen, die teilweise ihr Leben danach ausrichten, welches im Roman immer wieder in Erinnerung gerufen und beschrieben wird.

  Eine weitere Person kommt hinzu, wodurch die Liebe in einer Weise so stark zum Ausdruck gebracht wird, wie sie wohl nur in sehr wenigen Romanen behandelt wird.

  Wo Liebe ist, da ist auch Schmerz, kann Trauer sein.

  Jan-Philipp Sendker hat einen Satz geschrieben, der bezeichnend für die Tiefe ist, die diesem Roman zugrunde liegt: „Es gibt Wunden, die mit der Zeit nicht heilen aber auf eine Größe zusammenschrumpfen, mit der es sich leben lässt“.

   „Das Herzenhören“ trägt die Empfindlichkeit und die Kraft der Liebe in sich, berührt und ist in der Handlungsstruktur so aufgebaut, dass der Spannungsbogen bis zu den letzten Seiten anhält.

  Obwohl dieser vor über zwanzig Jahren geschrieben wurde, hat er nichts von seiner Faszination verloren. Absolut lesenswert.

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     Burckhard Specht          Leseprobe
    Heyne Verlag                   ISBN: 978-3-453-41001-5             Taschenbuch  304 Seiten / eBook / Hörbuch

Robert Seethaler:  Das Café ohne Namen

Robert Seethaler - Café ohne Namen

Unweit der Donau, in Wien am Karmelitermarkt, spielt die Geschichte von Robert Seethaler. Sein Protagonist Robert Simon lebt von Gelegenheitsarbeiten und wohnt in einem einfachen Zimmer bei einer Kriegerwitwe. Die Stadt ist zwanzig Jahre nach dem Krieg im Aufbruch. Der Wohlstand im Land beginnt sich zu entwickeln, wenngleich in diesem Viertel noch nicht viel davon zu spüren ist.

   Robert Simon mietet sich das heruntergekommene Lokal mit Blick auf den Karmelitermarkt und baut es zu einem Café um.

   Nach und nach trudeln bei ihm die Gäste ein, jeder mit einer Lebensgeschichte, an denen Robert Seethaler die Leserschaft teilhaben lässt, oft bis ins kleinste Detail beschrieben. Die füllige Mila vom Land, der Ringer Rene und auch Blaha, der gern sein Glasauge über die Theke rollen lassen will, werden dem Leser vertraut. Ebenso wie der kinderreiche Fleischermeister von Gegenüber.

Geschickt füllt Robert Seethaler den Roman, das Café und somit die 283 Seiten des Buches mit den unterschiedlichsten Charakteren. Die Leser nimmt er im unaufhörlichen Lesefluss mit auf die Reise in die neue Zeit und schreibt im Detail die Lebensgeschichten auf, ohne Schuldige zu benennen.

   Die Erlebnisse der nach und nach auftretenden Protagonisten regen zum Nachdenken an und zeigen die Schattenseiten der aufstrebenden Wirtschaft bis zum letzten Kapitel des Buches. Mila, die Kriegerwitwe und der Fleischermeister sind die treuen Begleiter von Robert Simon und kommen mit Fragmenten ihres Lebens immer wieder vor.

   Ein Roman, der unterhält und zugleich Teile der jungen Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg in sich vereint, wunderbar von Robert Seethaler formuliert und zu Papier gebracht.

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     Burckhard Specht        Leseprobe
     Ullstein Verlag              ISBN: 978-3-548069272           Hardcover / Taschenbuch 230 Seiten / eBook

Juli Zeh:   Unterleuten

Juli Zeh - Unterleuten  ©  btb Verlag

Unter Leuten in Unterleuten trifft den Inhalt des Romans, der in einem fiktiven Dorf unweit der Hauptstadt liegt, am besten. Die Personen, die das Leben in Unterleuten bestimmen, werden am Ende des Buchs einzeln dargestellt, welches sich bei der Länge des Romans von 656 Seiten als hilfreich erweist.
  Langsam führt Juli Zeh die Leser an die einzelnen Charaktere heran. Urgesteine von Unterleuten vermischen sich mit Hauptstadtflüchtigen, die in den Weiten Brandenburgs ihre neue Existenz aufbauen wollen. Unvermeidlich, dass auch alte Ost-West-Dissonanzen Zugang finden, wobei ein alter LPG-Betrieb stark dominiert. Juli Zeh versäumt es nicht, den Ausverkauf nach der Wende und indirekt die politischen Fehler aufzuzeigen.
  Im ersten Teil werden die Charaktere eingehend beschrieben, um dann langsam zusammenzuwachsen. Ungefähr bei der Hälfte des Romans wird der Inhalt etwas gestreckt, verliert an Spannung und wird stellenweise zäh. Dann nimmt der Roman wieder Fahrt auf, steigert sich und hält die Spannung bis zum Ende hoch. Einem Ende, das nachvollziehbar ist aber nicht vorhersehbar war.  
  Ein lesenswerter Roman, der zwischen den Zeilen vieles andeutet.
   

     Burckhard Specht          Leseprobe
     btb Verlag                       ISBN: 978-3-442-71976-1           Hardcover 640 Seiten / Taschenbuch / eBook / Hörbuch

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